altonews.de berichtet nur sehr selten über die große Politik. Themen gibt es genug, sowohl welt- als auch deutschlandweit. In der Regel begeben wir uns nicht auf dieses Terrain der Berichterstattung, das überlassen wir den großen Tageszeitungen mit ihren politischen Ressorts. Wenn diese Politik uns in Altomünster allerdings berührt, ist es schon eine Überlegung wert, darüber zu schreiben. Wenn diese Politik dazu beiträgt, einem alten Mann aus unserer Gemeinde das Herz zu brechen und es niemanden zu interessieren scheint, dann ist unser Blog das einzige Sprachrohr dafür.

Worum geht es?

Alles fing mit der Eröffnung der Repräsentanz Bayerns in Prag im Dezember 2014 an. Wie altonews berichtete, klopfte Anfang Juli Frau Dr. Beate Merk, seit Oktober 2013 Staatsministerin für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen, an die Tür des Gaudnek European Museums, um im persönlichen Gespräch mit Walter Gaudnek einige Werke für die Repräsentanz zu kaufen.

Soweit so gut.

Nun sollte Anfang des Jahres eine Matinee in Prag veranstaltet werden. Es schmückt sich immer gut, bei so einer Gelegenheit den Künstler einzuladen. Gaudnek war sehr ergriffen von dieser Einladung, sollte es doch erstmals seit Ende 1946 in seine alte Heimat gehen. Seit siebzig Jahren war er nicht mehr in Tschechien. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Gaudnek am 1. Juli 1945, genau an seinem 14. Geburtstag, zur Zwangsarbeit eingezogen. Wer die Lebensgeschichte Gaudneks kennt, der weiß, dass er bereits ein Jahr zuvor durch die Nazis seinen Vater verloren hatte. Die Gestapo hatte ihn im Gefängnis wegen einiger kritischer Aussagen zum Hitlerregime ermordet. Und kurz darauf die Zwangsarbeit für ihn, die bis November 1946 andauerte.

Zwei Erlebnisse, die einen Heranwachsenden mit Sicherheit prägen. Gaudnek machte dennoch seinen Weg: Nach Altomünster, Ingolstadt, München – bis in die USA, wo er heute noch als anerkannter Professor Kunst an der University of Central Florida lehrt. Durch seine Kunst und Ausstellungen brachte es Gaudnek bis in die berühmte Jonny Carson Show in den USA und zu den olympischen Spielen im Sommer 1972 nach München, als Künstler im Begleitprogramm. Und eines seiner Gemälde erhielt der damalige US Präsident Richard Nixon.

Ein beeindruckender Lebensweg.

In all den Jahren jedoch vermied Gaudnek die Rückkehr in seine alte Heimat. Die Sehnsucht nach der Heimat brennt noch heute in ihm. Nach seiner Zeit als Zwangsarbeiter entschied er jedoch, niemals als Privatperson zurückzukehren. Einer Rückkehr auf Einladung war er jedoch nicht abgeneigt.

Und dann, letztes Jahr, der Besuch von Frau Dr. Merk und die Einladung zur Matinee nach Prag. Ein Lebenstraum schien in Erfüllung zu gehen. Gaudnek plante, mit seiner amerikanischen Frau und Tochter nach Prag zu reisen. Rückkehr in die alte Heimat nach fast 70 Jahren.

Doch dann, am 1. Dezember 2015, erhielt Gaudnek Post aus der bayerischen Staatskanzlei. Ein Schreiben an seine E-Mail-Adresse. Offenbar wusste man nicht einmal genau, wo Gaudnek in den USA lebt.

Den Wortlaut des Schreibens veröffentlichen wir auf altonews.

Matinee in der Repräsentanz in Prag

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Gaudnek,

mit Schreiben vom 12. November 2015 hatte Sie Frau Staatsministerin Dr. Beate Merk zu einer Matinee in die Repräsentanz des Freistaates Bayern nach Prag eingeladen, um dort zwei ihrer Bilder einem künstlerisch interessierten Fachpublikum zu präsentieren.

Zu meinem aufrichtigen Bedauern muss ich Ihnen leider heute mitteilen, dass die Matinee nicht stattfinden kann. Im Zuge der unmittelbaren Vorbereitungen hat sich herausgestellt, dass vor dem Hintergrund einer weltweiten Presseberichterstattung zu einer Ihrer Ausstellungen im Jahre 2004 die Präsentation Ihrer Werke in der Bayerischen Repräsentanz in Prag zu Irritationen führen könnte, die unter allen Umständen vermieden werden müssen. Ich hoffe, dass Sie etwaige Dispositionen im Hinblick auf diese Absage ohne unverhältnismäßigen Aufwand vornehmen können.

Mit freundlichen Grüßen

gez.

Thomas Gloßner
Ministerialrat

Wer ganz genau hingehört hat, wer die Lebensgeschichte von Gaudnek kennt, der konnte über den Atlantik hören, wie das Herz eines alten Mannes brach.

Über die Art und Weise einer solcher Absage kann man als Bürger nur den Kopf schütteln.

Da ist zunächst die Absage per E-Mail. Hatte man die Adresse von Gaudnek nicht? Wusste man nicht, dass er in den USA lebt? Gibt es keine Telefonverbindungen zwischen Deutschland und den USA?

Dann die ungenaue Begründung der Absage. Welche Ausstellung? Welche Berichterstattung? Von wem wurde was berichtet? Welche politische Sprengkraft liegt einem Bericht über eine Ausstellung eines deutsch-amerikanischen Künstlers inne?

Weiter: Wenn ich mich nach einem Künstler umsehe, dessen Bilder ich kaufen möchte, für eine Repräsentanz, dann mache ich vorher einen Background Check. Oder waren die „Verfehlungen“ Gaudneks so in den Archiven versteckt, dass diese erst kurz vor Abreise „entdeckt“ wurden? Man beachte: Zwischen Einladung und Absagen liegen gerade einmal 2 Wochen. Erst prüfen, dann einladen.

Der – wunderschön formulierte – Verweis darauf, dass er bezüglich etwaiger bereits getätigter Reisebuchungen und den damit verbundenen Kosten sich selbst überlassen wird. Zur Erinnerung: Gaudnek wohnt in den USA und kann nicht „mal eben“ mit dem Auto die paar Kilometer nach Prag fahren.

Die Absage ist unterzeichnet von einem Ministerialrat, nicht von der Einladenden Frau Dr. Merk selber, die sich seinerseits genau aus diesem Grund in das goldene Buch von Altomünster eintragen durfte.

Soweit zur Art und Weise der Absage.

Kommen wir nun zum Inhalt. Was wirft man Gaudnek vor? Welche Äußerungen genau sind gemeint? Gaudnek hat eine Vermutung, welche Äußerungen gemeint sein könnten, aber eine Bestätigung hat er nicht bekommen.

Und überhaupt: Hat die Staatsregierung so viel Angst vor den Worten eines alten Mannes? Unsere bayerische Politprominenz ist schnell dabei, anderen Ländern die Einhaltung von Menschenrechten, von Rede- und Pressefreiheit nahezulegen, ja geradezu zu fordern. Doch wenn es um die eigenen Interessen geht, scheint man mit anderen Maßstäben zu messen.

Für mich unverständlich, wie die Meinung eines alten Mannes so viel Sprengstoff beinhalten soll. Unverständlich, wie wenig Rückgrat in der Politik vorhanden ist. Unverständlich, dass niemand den Mut hat, mit dem Künstler direkt zu reden, das Gespräch zu suchen. Unverständlich, wie man nicht erkennen kann, dass man mit so einer Aktion jemanden das Herz brechen kann.

Nun, für mich ist dieses Verhalten eigentlich nicht unverständlich. Politiker mit Rückgrat und echtem Interesse an den Menschen, denen sie dienen sollen, würden anders handeln. Offensichtlich fehlt es in dieser Situation an beidem.

Bildquelle: (c) altonews.de