Gastbeitrag Prof. Dr. Wilhelm Liebhart, Vorsitzender des Museumsvereins, Auszug aus der Rede bei der nachgeholten Vernissage am 4. Juli 2021

Seit dem 14. März 2021 läuft mit lästigen Unterbrechungen die Ausstellung über „Hans Metzger“, die bis 12. September verlängert werden konnte. Die Idee dazu hatte die Heimatforscherin der Gemeinde Pfaffenhofen, Frau Katharina Axtner. Ideen bleiben Ideen, wenn sie nicht aufgegriffen und verwirklicht werden. Unsere Kreisheimatpflegerin, die Kunsthistorikerin Dr. Birgitta Unger-Richter griff als Kuratorin die Idee auf und fand in uns einen flexiblen Partner. Es fügte sich wunderbar, dass sich die Historikerin Dr. Cornelia Oelwein aus Ilmmünster bereits in einem anderen Zusammenhang mit Hans Metzger hatte beschäftigen dürfen. So kam ein Team zusammen, das man sich nicht optimaler hätte vorstellen können. Es wäre alles bei einer theoretischen Forschungsarbeit geblieben, wenn nicht zahlreiche Objekt- und Bildbesitzer bzw. Sammler sich bereit erklärt hätten, uns ihre Bilder für eine gewisse Zeit zu Verfügung zu stellen. Der heutige Nachmittag ist Ihnen gewidmet. Ich darf Sie von Herzen in alphabetischer Reihe begrüßen. Die Ehe- und Lebenspartner (m/w/d) bitte ich, sich gleichfalls begrüßt zu sehen.

Wir begrüßen und danken Fürst Anatol Obolensky (München), Robert Gasteiger aus Dachau, der uns auch mit seinem Zitherspiel begleitet, Anton und Sandra Geer (Schwabhausen und Egenburg), Vroni Gottschaller (München), Dr. Clemens Maria Haertle (München-Trudering), Georg Heckert (München), Annemarie Kaindl (München), Michael Lampl (Pfaffenhofen an der Glonn), Engelbert Metzger (Landshut), Georg Randlkofer (München), Michael Vogele (Dinkelscherben), Thomas Weisshaupt (Egenburg) und Viktoria Wiedemann (Pfaffenhofen an der Glonn). Ihnen gilt der besondere Dank des Museums Altomünster.

Die Hauptleihgeber außerhalb der Region waren Vroni Gottschaller aus München, Engelbert Metzger aus Landshut und Georg Randlkofer (Firma Alois Dallmayr) aus München.

Hans Metzger (1879 – 1957)

… wer die Gegend nur flüchtig sieht, mag sie wohl für reizlos halten; da eine Wiese, dort ein Feld, in weiter Ferne vielleicht ein Wald, aber immer das nämliche und nichts Großartiges, was den Blick fesselt (…). So weit dein Blick reicht, wölbt sich ein Hügel hinter dem andern, alle bedeckt mit reichem Gottessegen, weit hinten verlieren sich die dunkelgelben Ähren im blauen Himmel. (…) Und schau nur hin: als wüchs er aus den Garben heraus, lugt dort ein Kirchturm vor. Diese Worte fand Ludwig Thoma in seinem Erstlingswerk „Agricola“ 1897 für das Dachauer Hinterland. Merkwürdig: Beim Lesen dieser Worte kamen mir nicht alle, aber viele Bilder von Hans Metzger in den Sinn. Auch die dazu passenden, in Varianten überlieferten Worte Thomas zu Hans Metzger: Deine Buida, Hans, mog i‘. De sag’n des mit de Aug’n, was i‘ schreib![1] Oder: Woaßt Hans, Deine Bilder mog i. Du sagst mit Deine Farbn genau dös, was i a sagn will.[2]

Ein größeres Kompliment kann man dem 1879 in Egenburg geborenen und 1957 in München verstorbenen Maler Hans Metzger nicht machen. Thoma hat in wenigen Wochen, am 26. August, seinen 100. Todestag. Er war 12 Jahre älter als Hans Metzger und nahm einen anderen Lebenslauf, aber München führte als führende deutsche Kunststadt viele zusammen, egal woher sie kamen.

Für einen Historiker ist es interessant, die Zeitspanne von 1879 bis 1957 in den Blick zu nehmen und das Leben eines Künstlers auf dieser Schablone zu betrachten. Als Hans in die Familie eines Gütlers und ländlichen Schreiner- und Kunsthandwerkers, landläufig als Faß- und Kirchenmaler bezeichnet, in Egenburg, Bezirksamt Friedberg, hinein geboren wurde, regierte König Ludwig II. in Bayern und Kaiser Wilhelm I. das junge Deutsche Reich. Als er sich 1902 in die Akademie der Bildenden Künste einschrieb, herrschte in Bayern Prinzregent Luitpold und in Berlin der Psychopath Wilhelm II. Die Zeit vor 1914 gilt als die gute, alte Zeit.

Ludwig Thoma verklärte die Prinzregentenzeit als Erinnerung an glückselige Tage. Das waren die Tage, als es bei uns noch so weiß-blau und altbayrisch war, schrieb er am 12. März 1921 im „Miesbacher Anzeiger“. Die Prinzregentenzeit erschien ihm als eine liebe, gemütliche Zeit, in der vielleicht nicht alles richtig und alles staatsweise, aber (…) rechtschaffen gemacht worden war, ehe der Erste Weltkrieg uns in den Abgrund führte.[3]

Hans Metzger lernte bei Professor von Hackl das Zeichnen. Die wenigen Zeichnungen, die in unserer Ausstellung zu sehen und im Katalog alle abgebildet sind, waren für mich die erste große Überraschung: Metzger war ein Meisterzeichner, nicht im Sinne von fotografischer Exaktheit, sondern von Stimmung und Genauigkeit. Die zu sehenden Zeichnungen Alt-Egenburger Anwesen, die spät um 1945 entstanden, vermitteln übrigens einen Blick in die damals schon im Verfall begriffene bäuerliche Baukultur. Übrigens: Zu den Schülern Professor Hackls zählten große deutsche Maler wie Max Slevogt (1868-1932), Hans Purrmann (1880-1966) und der Expressionist Franz Marc (1880-1916), aber auch Maler, die man der Dachauer Künstlerkolonie zurechnet wie Albert Weißgerber (1878-1915).

Schon seit 1907 waren Werke von Hans Metzger auf großen Münchner Kunstausstellungen zu sehen, von 1913 bis 1931 auch im berühmten Glaspalast. Dr. Cornelia Oelwein hat die Ausstellungsbeteiligungen zusammengetragen, die im Katalog zur Ausstellung zu finden sind. … Ludwig Thoma sprach im Rückblick auf die Prinzregentenzeit vom Abgrund des Ersten Weltkrieges. Diesen Abgrund des ersten modernen Krieges erlebte Hans Metzger am eigenen Leib: Ein Granatsplitter riss ihm angeblich schon 1914 vor Verdun das linke Bein weitgehend ab. Warum angeblich? Weil alles für 1916 spricht. In diesem Jahr 1916 starben vor Verdun rund 700 000 Deutsche und Franzosen. Da alle Armeen, darunter auch die bayerische, durch die „Knochenmühle“ Verdun geschleust wurden, kamen aus dieser Zermürbungs- und Ausblutungsschlacht mehr als viereinhalb Millionen Männer als Verwundete und Invaliden heraus.[4]

1916 schrieb der aus der Ostfront zurückgekehrte Ludwig Thoma seine „Heilige Nacht“. Ein Exemplar widmete er im Juni 1918 Hans Metzger mit den Worten: Meinem lieben Herrn Hans Metzger, dem braven Veteranen und bayrischen Maler herzlichst zugeeignet. Die förmliche Anrede spricht jetzt nicht für ein engeres Verhältnis, wie die zwei Eingangszitate vermuten lassen, aber wie auch immer, sie kannten und schätzten sich.

Die schwere Verletzung zwang den Künstler als Prothesenträger seine bisherige Haupttätigkeit als Wand- und Fassadenmaler aufzugeben. In Oberammergau (Heimatmuseum) und in Fürstenfeldbruck (Pucherstr. 54) sind noch Freskenmalereien von ihm erhalten geblieben. Nach 1918 begann die Zeit der Gelegenheitsarbeiten aller Art als Entwerfer von Glückwunsch- und Grußpostkarten, als Illustrator und vor allem als Ölmaler idyllischer Ideallandschaften Oberbayerns nördlich und südlich von München.

Kann man davon leben? Wie wir wissen, eher schlecht als recht. Schon vor 1914 arbeitete er bereits für das schon damals in München führende Feinkosthaus, für den Kgl. Bayr. Hoflieferanten Alois Dallmayr der Familie Randlkofer. Die Familie hatte 1895 das Dallmayr’sche Geschäft, dessen Vorläufer bis auf die Zeit Kurfürst Max Emanuels um 1700 zurückgehen, angekauft. Hier war er vielfältig tätig bis hin zur Dekoration der Schaufenster und der Gestaltung von Etiketten, die wir in einer Hochvitrine im Parterre sehen können. Hier fand Metzger nicht nur einen Kostplatz, sondern auch persönlichen Anschluss.

Die Machtergreifung des Nationalsozialismus 1933 bedeutete für Hans Metzger zunächst einen Einschnitt, da er – wie berichtet wird – die in Aussicht gestellte Anstellung an der Akademie der Bildenden Künste aufgrund des Machtwechsels nicht erhielt. Zu diesem Zeitpunkt stand er bereits im 64. Lebensjahr. Wäre er Parteigenosse gewesen. hätte er sie sicher erhalten. Um überhaupt ausstellen und damit verkaufen zu können, musste er Mitglied in der Reichskulturkammer Abteilung „Reichskammer der bildenden Künste Fachverband: Deutscher Maler und Graphiker e.V.“ werden. Dies ermöglichte ihm von 1937 bis 1940 die Teilnahme an der jährlichen „Großen Kunstausstellung im Haus der deutschen Kunst“.

Nicht nur der Erste, sondern auch der Zweite Weltkrieg wurde für Hans Metzger ein Abgrund. Eine Bombennacht des Jahres 1944 zerstörte sein Wohnatelier in der Pettenkoferstr. 28. Ein Ölbild, das uns erst nach dem Aufbau der Ausstellung zur Verfügung gestellt wurde und hier im Zwickel zu sehen ist, zeigt eine Seite des Wohnateliers, die andere ist durch ein Foto dokumentiert. Von 1944 bis 1947 lebte er wieder als Ausgebombter in der Heimat Egenburg, danach kehrte er wieder nach München zurück. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er als „unbelastet“ eingestuft.

Am 10. Dezember 1957 verstarb er in der Rosenheimer Str. 90/0 nach längerem, schweren Leiden, und nach Empfang der hl. Sterbesakramente – wie in der Todesanzeige[5] zu lesen ist.

Man hat Hans Metzger als „Heimatkünstler“ oder – wie Ludwig Thoma – als bayrischen Maler bezeichnet, was auch immer darunter zu verstehen ist. Er schuf innig und poetisch empfundene Bilder[6], die stille, anmutige Wärme in Farbe und Form[7] ausstrahlen: Beherrschend aber ist in allen Bildern die Landschaft mit ihrem sanften wiesen- und getreideschweren Hügelboden mit ihren Baumschlägen und stillen Wässerchen mit behäbigen ernsten Bauernhäusern und fernen Kirchtürmen am weiten lichten Himmel.[8]  Der Künstler besaß einen eigenen, unverwechselbaren Stil, der von den modernen zeitgenössischen Strömungen wie etwa dem Impressionismus, dem Expressionismus und dem völkischen Realismus der 1930er Jahre unbeeinflusst blieb. Er war auf eine naive anmutende Art der „Maler ländlicher Idyllen“, ohne naiv gewesen zu sein. Es gilt ihn neu zu entdecken, wozu die Ausstellung im Museum Altomünster ihren bescheidenen Beitrag leisten will.

[1] So Franz Xaver Haertle: Ms. „Der Stille Beobachter. Zum 75ten Geburtstag des altbayerischen Malers Hans Metzger zum 31. Mai 1954“. Privatarchiv von Dr. Clemens Maria Haertle.
[2] Franz Xaver Haertle in: Zwiebelturm 1958, Heft 4, S, 93.
[3] Zitate aus Ludwig Thoma: Sämtliche Beiträge aus dem „Miesbacher Anzeiger“ 1920/21. Kritisch ediert und kommentiert von Wilhelm Volkert. München 1989, S. 174-177. – Dieser Beitrag ist einer der wenigen im „Miesbacher Anzeiger“, der nicht antisemitisch und demokratiefeindlich war, weil er an den 100. Geburtstag des Prinzregenten Luitpold am 12. März 1921 erinnerte.
[4] Paul C. Ettighoffer: Verdun. Das große Gericht. Sonderausgabe Augsburg 1996, S. 10; zuletzt: Olaf Jessen: Verdun 1916. Urschlacht des Jahrhunderts. München 2014.
[5] Abgebildet in: Hans Metzger 1879 – 1957. Der Maler der ländlichen Idylle. Katalog zur Ausstellung im Museum Altomünster. Altomünster 2021, S. 30.
[6] So A. Heilmann: Künstlerwege. In: Sonntag ist’s 5 (8.2.1920). Heft 10, S. 222.
[7] So Julius Kreis: Ein altbayrischer Maler. In: Propyläen vom 14.12.1923.
[8] A.a.O.

Bildquelle (c) Susanne Allers für Klostermuseum Altomünster